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B.Sc. Hanna
Nimmenich

Die gelernte Gärtnerin bearbeitete nach dem Studium der Arboristik Projekte in Mannheim für das Institut für Baumpflege in Hamburg.

 

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Deutsche Baumpflegetage 2009

Bericht vom neuen Veranstaltungsort

Dass der Mai alles neu macht, war dieses Jahr schon im April spürbar: die Deutschen Baumpflegetage fanden vom 21.-23.04.2009 zum ersten Mal im Messezentrum Augsburg statt. Wie in den vergangenen Jahren trafen sich Besucher, Aussteller und Künstler, um ihre Arbeiten zu präsentieren, Erfahrungen auszutauschen und auf fachlicher Ebene zu diskutieren. Der Gründer der Baumpflegetage, Steffen Wiebe, hatte die Tagung 1993 als eine Plattform für die gesamte Branche konzipiert. Hier sollte die sachliche Diskussion zum Wohl der Bäume im Vordergrund stehen; dieses Ziel ist auch 2009 realisiert worden. Der seit der Gründung bestehenden Tradition als unabhängiges Forum für die gesamte Breite des Fachpublikums fühle man sich nach wie vor verpflichtet, so Prof. Dr. Dirk Dujesiefken. In seiner Begrüßungsrede würdigte er die Kraftanstrengung der neuen Geschäftsstelle und der diesjährigen Fachpartner, dem IKT (Institut für unterirdische Infrastruktur) in Gelsenkirchen und der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft e. V. (DDG).  Trotz der nur viermonatigen Planungsphase für die Umsiedlung von der Kongresshalle in die Messe war die Tagung  professionell organisiert und hervorragend aufgestellt, im Vergleich zum Vorjahr sind die Zahlen der Besucher und Aussteller erneut gestiegen. Der neue Veranstaltungsort bietet mehr Möglichkeiten für Aussteller und Besucher, die Gastronomie wurde erweitert und es steht mehr Raum für Gespräche und Begegnungen zur Verfügung.

Über 1000 Teilnehmer aus mehreren europäischen Ländern sowie aus den USA und Russland besuchten in diesem Jahr die größte Baumfachtagung Deutschlands. Schon im Foyer fanden sich die Ankommenden inmitten der Ausstellung ArborArt, bei der wieder Volkmar Zimmer aus Germering seine Drechselkunst zeigte, auch mit Stücken aus Bergahorn, dem Baum des Jahres 2009. Mit dabei waren auch Friedrich Bielenstein aus Jabelitz, der „Holz-Enthüller“, der aus skurril geformten Holzteilen außer-gewöhnliche Formen freilegt, und dem Bogenbauer Stefan Raab aus Reutlingen, der vor den glänzenden Augen der Besucher Bögen z.B. aus Robinie, Esche und Eibe fertigte. Ebenfalls im Eingangsbereich stellte Uwe Thomsen aus Pinneberg seine Exponate unterschiedlicher Ahornarten und -sorten aus, an denen negative wie positive Beispiele von Ast- anbindungen verschiedenen Alters zu sehen waren. Als Botschafter des rechtzeitigen Eingriffs verdeutlichte er damit die Notwendigkeit der weitsichtigen Planung und Sortenwahl sowie der fachlich qualifizierten Jungbaumpflege. Denn für den, der weiter blickt, sind schon am Verzweigungsmuster des Jungbaums die späteren Entwicklungs-möglichkeiten und die nötigen Schnitte erkennbar.


In der Messe (ehemals Fachausstellung Baum) warben 75 Aussteller um die Aufmerksamkeit der Fachwelt. Trotz anfänglicher Skepsis zeigten sich die meisten Aussteller zum Ende der Tagung zufrieden mit dem neuen Standort und sehen weiteres Potential für die nun großzügiger dimensionierte Messe der Deutschen Baumpflegetage. Die Messe ist am neuen Veranstaltungsort separat zugänglich und kann nun auch unabhängig von den Vorträgen besucht werden.


Die wissenschaftliche Posterausstellung lag diesmal auf dem Weg zwischen Messe und großem Saal und wurde auch daher stark frequentiert, dort bildeten sich während der gesamten Tagung kleine Gruppen von Interessierten, die mit den Autoren in lebhafte Diskussion vertieft waren.
Auch im Kletterforum wurde wieder angeregt diskutiert. An zwei Tagen wurden hier Vorträge und Vorführungen zum Thema Arbeitssicherheit sowie zur Geschichte und Entwicklung der Seilklettertechnik angeboten und fanden regen Zuspruch. Nachdem am ersten Tag die Leuchtkraft des Beamers mit der Sonne vor den Fenstern konkurrieren musste, wurden die Vorträge am zweiten Tag in einem anderen Saal unter besseren Bedingungen präsentiert. Die Möglichkeiten und Risiken im Zusammenspiel Baum – Seil – Kletterer wurden von verschiedenen Seiten beleuchtet. Am ersten Tag lag der Fokus im Kletterforum auf der Seilklettertechnik (SKT). Es berichteten Andreas Detter, Christian Kruck, Jelte Buddingh und Kay Busemann von der Belastbarkeit von Ankerpunkt und Ausrüstung und dem Zusammenhang zwischen Zugangstechnik und Baumpflege. Die Vorführungen im Außenbereich vor zahlreichen Zuschauern leisteten Knut Foppe und Mark Bridge. Der zweite Tag begann mit einem Überblick über die geschichtliche Entwicklung der SKT; von Mark Bridge moderiert diskutierten die langjährigen Kletterer Alan Lyons und Ulrich Pfefferer über den Wandel der Baumpflege durch die Ideen Alex Shigos in den achziger Jahren. Anhand einiger „historischer“ Ausrüstungsgegenstände wurde auch den jüngeren Kletterern die enorme Weiterentwicklung der SKT veranschaulicht. Besonders die Entwicklung der Sicherheitsanforderungen und -bedürfnisse bei der Arbeit im Baum wurde am letzten Nachmittag im Kletterforum thematisiert: in den Vorträgen über Risikomanagement und Gefahrenanalyse von Bernhard Schütte, Patrik Zürcher und Knut Foppe. Dabei wurde wiederholt auf die Notwendigkeit einer umfassenden fachlichen Ausbildung der Baumpfleger eingegangen. Im letzten Vortrag informierte wie letztes Jahr wieder Uwe Böckmann über die Neuigkeiten von Seiten der Berufsgenossenschaft.
Gitarrenklänge von Eric Clapton begrüßten die Teilnehmer zu den ersten Vorträgen im großen Saal, der wie das Kletterforum auch meist bis auf den letzten Platz besetzt war. Den Einstiegsvortrag zum Themenkomplex des ersten Tages hielt Dipl. Ing. Christoph Bennerscheid, der als Projektleiter am IKT, dem Institut für unterirdische Infrastruktur, das Thema „Bäume und Tiefbau“ aus langjähriger Forschungstätigkeit kennt. Im Laufe des Tages stellten weitere Referenten die „unterirdischen“ Konfliktpotentiale von Gehölzwurzeln und Infrastruktur dar. Schäden an Verkehrswegen, an Leitungen und der zukünftige Umgang damit wurden vorgestellt und diskutiert. Als letzte Referentin an diesem Dienstag berichtete Britt-Marie Alvern von den Erfahrungen, die in Stockholm mit der Regenwassernutzung auf neuartigen Baumstandorten gesammelt wurden. Als Fazit dieses Tages kann festgehalten werden, dass sinnvolle Lösungen für die Bäume wie für die unterirdische Infrastruktur nur durch eine fach- und länderübergreifende Zusammenarbeit erarbeitet werden können.
Das Programm der beiden übrigen Tage wurde in Zusammenarbeit mit der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft gestaltet. Dem weitreichenden Thema „Baum und Mensch“ war der zweite Tag gewidmet, und ebenso weit reichte das Spektrum der Vorträge. Den Beginn machte Prof. Dr. Andreas Roloff mit einem Überblick über Wirkung und Nutzen der Stadtbäume. Es folgten Präsentationen zur Öffentlichkeitsarbeit um den Baum, zu Allergien durch Bauminsekten und zu Schäden an Bäumen durch die vermehrte Neuanlage von DSL-Kabeltrassen. Am Nachmittag wurden die Gehölzdatenbank GINKGO vorgestellt und die Möglichkeiten und Grenzen der Doppik in öffentlichen Vermögenshaushalten erläutert. Aus der Praxis im Umgang mit Kunde, Baum und wirtschaftlichen Notwendigkeiten berichtete Kay Busemann, weiterhin wurden einige Aspekte der Waldnutzung in Form von Hochseilgärten und Kletterparks beleuchtet. Der gemeinsame Kanon war der Wunsch nach mehr Wissen und größerer Wertschätzung der Bäume in der Bevölkerung.
Am dritten und letzten Tag wurden Themen aus Baumbiologie und Baumpflege vorgestellt, den Anfang machte Dipl. Ing. Werner Molitor mit einer Erinnerung an das Auftreten Alex Shigos 1984 in Heidelberg. Weitere Vorträge beschäftigten sich mit der Wundreaktion von Bäumen, Rindenvefärbungen durch Epiphyten und der Möglichkeit zur Altersbestimmung von Bäumen. Der Nachmittag war zwei Vorträgen zum Alleenprojekt in Schleswig-Holstein gewidmet, in denen es zunächst um die Bedeutung alter und ausgefaulter Bäume als Lebensraum für bedrohte Käferarten ging, später stellten Dipl.-Ing. Petra Jaskula und Dipl.-Ing. Oliver Gaiser die einzelnen Alleen des Projektes vor. Im Spannungsfeld zwischen Denkmalpflege, Naturschutz und Verkehrssicherheit, so die Referenten, sei eine differenzierte Betrachtung jeder einzelnen Allee mit ihren Besonderheiten und eine enge Zusammenarbeit der drei Interessensbereiche notwendig.
Den Schlussakkord im wahrsten Sinne bildete auch dieses Jahr der Vortrag von Prof. Dr. Andreas Roloff zum Baum des Jahres 2009 – dem Bergahorn. Mit einem musikalischen Zitat des Fagotts aus „Peter und der Wolf“ beginnend, wurde der Bergahorn als wichtige Holzart zum Instrumentenbau vorgestellt, viele eindrucksvolle Bilder führten den Besuchern auch bisher unbekannte oder wenig beachtete Seiten dieser Laubbaumart vor Augen. Dass der Bergahorn sich, gemäß seines Namens, erst in größeren Höhen zur vollen Schönheit entwickelt, oder dass sich die Blattstiele im Herbst intensiv verfärben – sowohl im Großen wie auch im Kleinen gewannen die Besucher einen neuen Blick auf den Baum des Jahres. Das Finale war eine Überraschung: Auf ihren elektrischen Gitarren (natürlich aus Ahornholz) brachte das Duo Roloff-Dujesiefken den Baum des Jahres zu Gehör und das Auditorium zum Rocken. Ob wir hier die Geburt der ersten BaumBand Deutschlands erlebt haben?


Schon jetzt steht fest, dass die Deutschen Baumpflegetage 2010 vom 27.-29.04. wieder im Messezentrum Augsburg stattfinden werden. Weitere Informationen sowie einen ausführlicheren Bericht der diesjährigen Tagung finden Sie in Kürze auf www.deutsche-baumpflegetage.de.