Warum Bäume pflegen?

grundlegende Gedanken

Ungepflegte Strassenbäume in Accra, GhanaFür den einen mag diese Frage provokativ oder überflüssig wirken. Andere fragen sich vielleicht, wieso überhaupt Geld in Bäume investiert wird, da Bäume scheinbar keine Rendite versprechen. Noch andere würden Bäume immer und überall frei wachsen lassen wollen. Warum es sich aber dennoch lohnt darüber nachzudenken, ist die grund-
legende Sinnfrage der beruflichen Tätig-
keiten, die direkt oder indirekt mit dem Beschneiden von Bäumen zu tun haben.


Fachleute würden schnell als Antwort die "Verkehrssicherheit", den "Erhalt des Lichtraumprofiles" oder die gesunde Entwicklung des Baumes nennen. Doch welche Aspekte verbergen sich hinter diesen Begriffen? Diese vielschichtige Realität versuche ich zunächst mit einer Lokalisierung des Phänomens Baumpflege einzugrenzen und beschreibe dann die Spannungsfelder scheinbar gegen- läufigen Interessen, um diese Frage differenziert zu beantworten.


Baumpflege wird nicht in Wäldern oder naturbelassenem Land mit niedrigem Verkehrsaufkommen praktiziert. Dort wachsen Bäume frei, was für das Ökosystem hervorragend ist, oder werden nach forstlichen Zielen selektiert. Baumpflege wird auch nur dort betrieben, wo Baumpflege bezahlt werden kann. Dafür ausreichende Mittel stehen fast nur Menschen in der entwickelten Welt zur Verfügung. In sogenannten „Entwicklungsländern“ ist der existenzielle Überlebenskampf so lebensbestimmend, dass diesen Menschen Baumpflege absurd erscheinen könnte. Diese Lebenssituation teilt faktisch die Mehrheit der Menschen, was eine Betrachtung globaler Gewinnverteilungen verdeutlicht: 60 Prozent der Weltbevölkerung müssen von nur 6 Prozent der globalen Gewinne überleben. Die übrigen 94 Prozent der Gewinne werden auf 40 Prozent der Menschheit verteilt. Nur in wohlhabenden Staaten werden Bäume gepflegt, denn überlebensnotwendige menschliche Bedürfnisse sind dort bereits sichergestellt. Der Ort der Baumpflege sind also wohlhabende, besiedelte Gebiete wie Dörfer und Städte. Sowie entlang von Verkehrswegen, wie Straßen, Autobahnen und Eisenbahnstrecken finden wir gepflegte Bäume. Infrastrukturelle Trassen, wie Stromleitungen, werden ebenfalls freigeschnitten.


Doch welches Motiv bewegt Menschen dazu, dafür Geld und Arbeit in Bäume zu investieren? Zum einen wollen Bürger Bäume in Ihrem Lebensumfeld haben, weshalb wir nicht alle störenden Bäume fällen, wie es zu Beginn des 20ten Jahrhunderts der Fall war. Viele Menschen lieben Bäume unbewusst oder bewusst, auch wenn bei Manchen das Entfernen des Herbstlaubes unbeliebt ist. Dies führt dazu, dass nachgewiesener Weise Immobilienpreise in denjenigen Gebieten höher sind, welche schöne Grünflachen mit Baumbestand aufweisen. Landschaften werden durch Bäume geprägt und erhöhen die Attraktivität touristischer Destinationen. Alleen erfreuen Reisende. Auch eine „psychotopische“ Erholungsfunktion ist erwiesen, denn die menschliche Psyche findet im Grünen Entspannung. Bäume bieten einen visuell wirkenden "Schallschutz". Die Transpiration des Wasserkreislaufes der Bäume verbessert das städtische Kleinklima und bindet Feinstaub. Auch Insekten, Pflanzen und Tiere haben einen Lebensraum, der im Idealfall so Artenreich ist, dass er als Biotop bezeichnet wird. Umweltschutzprogramme versuchen die Anzahl der Biotope zu erhöhen, um in einem Biotopverbund den Lebensraum für Flora und Fauna auch in Städten begrenzt zu erhalten. Naturdenkmäler faszinieren Menschen durch ihr Berühren mit der „Ewigkeit“, Langlebigkeit und Geschichte. Bäume binden Stadtbürger in die Natur ein und erinnern an natürliche Abläufe, wie das Werden und Vergehen. Fachgerechte Baumpflege kann das Leben und die positive Funktionsdauer von Bäumen verlängern.

Für andere legitime Interessen sind Bäume oder Baumteile jedoch die Ursache einiger Probleme. Wir wollen lebensbedrohliche und wohlstandsbedrohliche Gefahren minimieren und investieren in „Sicherheit“. Sicherheit ist ein Gefühl das durch vorbeugende Maßnamen erzeugt wird, man verhindert denkbare physische Unfälle und geht Angstvorstellungen aus dem Weg. Denn fallende Äste oder kippende Bäume gefährden Menschen und beschädigen Besitzgüter. Rechtlich entsteht dadurch in Deutschland ein Haftungsanspruch an Grundstückseigentümer, was „Verkehrs- sicherungspflicht“ genannt wird. Vor diesen Verlusten können Versicherungen schützen, welche auch aufgrund der Gewinnabsicht an sicheren Bäumen interessiert sind. An Straßen können Äste, welche zu dicht über die Straße ragen Fahrzeuge beschädigen. Dabei verletzen Fahrzeuge Bäume, was durch frühzeitiges Entfernen und Einkürzen dieser Äste verhindert wird, dem „Lichtraumprofilschnitt“. Um Gebäude zu schützen, werden kranke umsturzgefährdete Bäume gefällt und instabile Äste entfernt oder eingekürzt. Diese Verluste können frühzeitig durch Baumpflege minimiert und hinausgezögert werden.
Die Komplexität dieser Aufgaben erhöht sich durch den begrenzten Raum in Städten und Dörfern. Wir brauchen Straßen, Gebäude und unterirdische Leitungen. Bäume brauchen Wurzelraum, Wasser und Nährstoffe. Dafür werden Lösungen erforscht, entwickelt und geplant. Da nur in wohlhabenden Ländern Bäume gepflegt werden, wird klar das Baumpflege bezahlt werden muss aber auch bezahlbar bleiben muss, denn sonst würde diese in Rezensionen zu früh gekürzt oder gar gestrichen werden. Um diese unübersichtliche und weit komplexere Realität auf den Zweck der Baumpflege zu destillieren, kann man vereinfacht sagen, dass Bäume dann gepflegt werden, wenn es jemand bezahlen kann und dort sinnvoll ist wo Bäume mit ihren positiven Funktionen im besiedelten Raum erhalten werden und die menschliche Sicherheit geschützt wird.


Die Frage, wie Bäume genau gepflegt werden, wird andersorts diskutiert und beantwortet. Dafür wird ein fortlaufender, manchmal kontroverser Fachdiskurs in Fachgremien, Hochschulen, Unternehmen oder auch einmal am Lagerfeuer nach der Baumarbeit geführt. Ergebnisse und Anregungen werden als Stand der Technik oder als Forschungsbericht in Fachzeitschriften, Büchern, Normen, Internetseiten, Fortbildungs, Vortrags- oder als Studieninhalt wiedergegeben. Dieser Prozess wird durch arboristische und interdisziplinäre Forschungsergebnisse, Erfahrungsschätze, Politik, Innovationen, Gesetzesänderungen, unternehmerische Interessen, Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Kundenwünsche und Menschlichkeit beeinflusst. Denn wie letztlich der definierte Pflegeauftrag ausgeführt wird, entscheiden Menschen in Abhängigkeit der Rahmenbedingungen, mit ihrer Säge im Baum.